Bitte stets Überweisungen bei uns bestellen vor Facharzttermin

Moin! 

 

Die medizinische Versorgungslage in der Region und im gesamten Gesundheitswesen verschärft sich weiter. Schritt für Schritt. In kleinen Schritten. Aufgeregt sind wir meist erst, wenn es uns selbst betrifft, wir nämlich Hilfe brauchen, die dann aber nicht zeitnah zu erreichen ist. Wir werden bei z.B. Praxisschließungen/ KV-Zulassungsniederlegungen die Lücken nicht schließen können. Ein Schritt, um die Situation zu verbessern ist, dass Patientinnen und Patienten bitte stets Überweisungen bestellen vor Facharztpraxen-Termin (dies betrifft nicht die gynäkologischen oder zahnärztlichen Routinevorstellungen). Wir brauchen mehr Mut zur Lücke. Weniger ist oft mehr. Kontrollintervalle sollten im großen Stil verlängert werden. Die Menge an unkoordinierten, manchmal sehr fragwürdigen Vorstellungen in Facharztpraxen auf eigene Initiative muss vermindert werden, damit die Wartezeiten für Menschen, die dringender einen Termin brauchen, nicht noch länger werden.

 

Auch ist die KI noch nicht soweit, in der Breite zu helfen. Die KI wird auch bei uns zu- und partiell übernehmen. Optimal genutzt, hätte die KI auch bei uns einen gro0en Zusatznutzen. Inwieweit sie aber wirklich im Interesse der Patientinnen und Patienten eingesetzt wird oder im Interesse anderer arbeitet, wird sich zeigen. Ich bin pessimistischt. Money makes the world go round. Ein sehr spannendes Thema. Die letzten Jahre hat aber die Aufholjagd in der grundsätzlich nötigen Digitalisierung des Gesundheitswesens meine Patientenversorgung deutlich mehr behindert, als dass es geholfen hat. Dies ist nicht nur ein Gefühl, da habe ich etliche Beispiele. Fahrlässig dysfunktionale IT-Neuigkeiten sind keine Seltenheit. Bis heute hat mein System keinen "Retour"-Button. Wenn ein Satz oder eine Diagnoseliste gelöscht ist, gibt es kein "STRG-Z", keinen Zurück-Pfeil. Die Daten sind weg und können nicht leicht rekonstruiert werden, wenn man nicht die letzte Sicherung oder die Minidumps aufwendig und kostspielig durchforsten lassen möchte. Wir Ärztinnen und Ärzte scheinen deutlich mehr Zeit in IT-Fragen und -Problemlösungen zu investieren als in die medizinische Fortbildung. Mal ehrlich: Wir regen uns z.B. über Gaffer oder Klimakleber im Notfalleinsatz auf. Was aber aktuell bei der Digitalisierung schief läuft und nur recht leise kommuniziert wird, geht auf keine Kuhhaut. Medikamente müssen bei uns sehr aufwendig getestet werden, bevor Sie freigegeben werden. Bei IT gelten diese Standards nicht. "Der Kunde testet" scheint Programm. Egal, was der Kollateralschaden ist. Bisschen wie hohe Auto-Standards beim Taxi mit Airbags überall, Spurhalteassistent Pflicht, aber beim Taxifahrer 'ne Alkoholobergrenze von 2,0 Promille. Naja, jeder hat seine eigene Wahrnehmung. Lassen Sie mir meine :)

 

Probleme in der Patientenversorgung hier sind weit gefächert. Einige Kliniksabteilungen haben weniger Zeit, Patient*innen mit einem klaren Therapiekonzept zu entlassen. Arztbriefe, Befunde und Medikationsempfehlungen müssen einzeln von mir akribisch gelesen werden, da sich der Teufel zusehends im Detail versteckt und der zunehmende Gebrauch von Satzbausteinsteinen und der Copy-Paste-Funktion zwar Briefe für Kassen und Rechtsabteilungen verbessern, nicht aber immer für die weiterbetreuende Hausarztpraxis. Es geht dabei nicht um Kleinkariertes zur Pedantenbefriedigung, sondern immer wieder filtert man Spielentscheidendes für die Patienten heraus. Das macht richtig viel Arbeit! Die vielen Probleme kommen nicht ohne Ankündigung. Vieles zeichnet sich seit Langem ab. Meine Motivation ist in den letzten zwei-drei Jahren nicht gestiegen, was weder die Qualität meiner ärztlichen Versorgung noch die Situation verbessert, um sich auftuende Lücken zu schließen. Deshalb schreibe ich mir mal wieder meine Sorgen von der Seele hier. Ähnliche Sorgen haben andere Menschen auch, z.B. in Kliniken. Nur werden deren Homepages  nicht durch die patientenversorgenden Mitarbeiter*innen erstellt, sondern wohl von PR-Leutchen und Werbefimen, für die der Mensch stets im Mittelpunkt steht und im eigenen Stall alles wunderbar erscheint und glitzert. Man es zumindest so kommuniziert

 

Es soll mehr ambulantisiert werden. Erscheint sinnvoll. Dafür brauchen wir aber auch sog. Manpower in der Peripherie. Die nimmt aber ab. Eine erstklassige Rheumaabteilung in Bremen z.B. wurden geschrumpft. Bei bekanntem Rheumatologenmangel hier im Norden wird im Landkreis eine von zwei rheumatologischen Praxen nicht mehr Kassenpatient*innen wie früher behandeln können, ohne dass es Ersatz gibt. Oooops. Problem! Keine Bagatelle. Ein richtiges Problem! Auch bei anderem im Gesundheitssektor sieht es nicht besser aus. In Wilstedt schließt z.B. leider die Apotheke. Und auch unsere lokale Apotheke hat es immer schwerer gegen die großen Player zu bestehen, die einiges zwar billiger machen, die aber deutlich unflexibler sind bei akuten Problemen. Auch der hiesige ambulante Pflegedienst steckt in der Krise mit unklarem Ausgang. Die nächsten Wochen werden interessant. Ich verstehe, wenn Menschen mit ihren Familien in den Rückwärtsgang stellen bei aktuellen Zukunftsaussichten. Verbessern wird dies natürlich die Lage in der Region nicht. Naja, wenigstens haben wir noch vier Hausarztpraxen in der Samtgemeide, auch wenn dies nicht mehr reicht, alle Patient*innen der Samtgemeinde zu versorgen und ich wenig Chance sehe, dass wir den auch uns etwas unangenehmen Patientenaufnahmestopp beenden können. 

 

Zurück zu den Facharztterminen - Monatelange Termine bei Facharztpraxen nehmen zu und somit auch der Druck auf uns. Das meiste müssen meine Mitarbeiterinnen am Telefon und an der Anmeldung abfangen. Wir sind nicht für die Terminvergabe anderer zuständig und wir können nicht bei den Praxen anrufen und Druck machen, wenn es kein Notfall ist. Das macht keinen Sinn, dass sich Menschen dazwischendrängeln, während geduldigere Menschen in der Warteschlage nach hinten rutschen. Ich finde hier im Sprechzimmer meist klare Worte, wenn trotz Hinweis, dass es halt dauert und das Problem auch in der Gesellschaft (u.a. Wunsch nach Maximaldiagnostik) liegt, Druck auf uns ausgeübt wird. Notfallüberweisungen z.B. stelle ich nach eigener Einschätzung im Notfall aus, nicht weil z.B. der nächste freie Termin erst im nächsten Jahr liegt oder weil jemand am Telefon meint, man müsse mal Druck beim Hausarzt machen. Wir müssen die Vorstellungen in Facharztpraxen besser kanalisieren. Das wilde Durcheinanderlaufen muss eingeschränkt werden. Den meisten Patientinnen und Patienten ist das bewusst und die meisten verhalten sich vorbildich. Bitte haben Sie Verständnis, dass ich von meinen Patientinnen und Patienten erwarte, dass vor Facharztterminen Überweisungen beantragt werden. Das gilt auch für Privatpatient*innen. Es ist keine Pflicht. Aber ausdrücklich von mir gewünscht. Nur so kann Bedarf auch eine klare Fragestellung an die Praxis erfolgen und nur so bekomme ich (in den meisten Fällen) einen aussagekräftigen Arztbrief. Und nur dann bin ich bereit bei Unklarheiten ggf. noch einmal zu erklären. Ich bin nicht mehr bereit bzw. schaffe es nicht mehr, im Nachhinein die losen Enden zusammenzufügen. Wenn ich von Anfang an mit im Boot sitze, bin ich im Falle eines Falles auch bereit Wasser zu schippen.

 

Und bitte, bitte, nehmen Sie beim Facharzttermin wie auch bei Vertretungen und in Notfällen stets die Diagnoseliste (sog. Blauer Bogen), den Medikationsplan sowie ggf. aktuelle Laborwerte und/oder Röntgenbilder mit! Das kann ich nicht häufig genug betonen.

 

Ich wiederhole mich: Routinekontrollen laufen recht gut, da Menschen monatelang warten können. Absolute Notfälle landen in der Notaufnahme und werden so gut es geht versorgt. Auch bei starker Dringlichkeit läuft es per Hausarztvermittlungsfall nicht ganz so schlecht. Wir haben aber enorme Schwierigkeiten, Facharzttermine bei mäßiger Dringlichkeit zu bekommen. Die Menge an Facharztpraxen-Selbstvorstellungen ohne Überweisung aus Angstgründen, Routine oder „nur mal so zum Durchchecken“ sowie fragliche empfohlene engmaschige  Kontrollen bei m.E. fehlender dringender Indikation, sollten reduziert werden, um Menschen Termine zu erleichtern, die sie dringender benötigen. 

 

Im Interesse der Gemeinschaft. 

Danke für Ihr Verständnis.

Munter bleiben!